heise online     c't 6/99, S. 46: CeBIT: Linux      
     

 

Dr. Oliver Diedrich

Geschäftsfähig

Die Großen der EDV-Branche greifen nach Linux

War das Linux-Angebot auf der letzten CeBIT noch sehr übersichtlich, dürfte es dieses Jahr von Pinguinen nur so wimmeln. Und es gibt auch einiges Spektakuläres zu entdecken ...

Bereits auf der LinuxWorld vom 1. bis 4. März im Silicon Valley gab es eine Vielzahl von Ankündigungen großer Firmen - was sich in einem entsprechenden Linux-Engagement auf der CeBIT niederschlagen wird. Auf der LinuxWorld stand IBM an vorderster Front: Big Blue wird in Zukunft Rund-um-die-Uhr-Support für Linux anbieten und mit den Distributoren Caldera, Pacific HiTech, Red Hat und SuSE kooperieren.

Außerdem will IBM Linux auf einige RS/6000-Rechner (mit PowerPC-Prozessor) portieren; davon dürfte auf der CeBIT allerdings noch nichts zu sehen sein. Statt dessen wird man die Intel-basierten Netfinity-Server vorführen. Möglicherweise gibt es auch schon andere IBM-Hardware - Workstations oder Thinkpads - mit Linux zu sehen.

Natürlich zeigt IBM die Linux-Version seiner Datenbank DB2; vielleicht auch schon das gerade fertiggestellte Host On-Demand, das den Zugriff auf Hosts mit einem Browser ermöglicht. Die WebSphere-Produkte, die Web-Anwendungen vom Web-Publishing bis zu transaktionsorientierten Java-Applikationen ermöglichen, sollen allerdings erst im Laufe des Jahres für Linux verfügbar werden. Das gilt auch für den On-Demand-Server zum sicheren Management von Web-Anwendungen übers Netz. Immerhin hat IBM seinen Linux-Aktivitäten schon eine eigene Website gewidmet (www.software.ibm.com/linux/).

Linux goes business

Die Linux-Sensation der diesjährigen CeBIT kommt aus deutschen Landen: Nachdem schon seit längerem darüber gemunkelt wurde, präsentiert SAP jetzt seine Standardsoftware R/3 in einer Linux-Version. Hasso Plattner, Vorstandssprecher der SAP AG, begründete diesen Schritt mit `einer beachtlichen Anzahl von Kundenanfragen´. SAPs wichtigste Hardware- und Softwarepartner haben bereits ihre Unterstützung zugesagt.

Sowohl Oracle als auch Informix wollen R/3 auf Linux zusammen mit ihren Datenbanken vorführen. Bei Informix gibt es neben dem Dynamic Server auch die 4GL-Entwicklungsumgebung zu sehen. Oracle wird nicht nur Oracle8i, sondern auch Project WebDB 3 - eine Umgebung zur einfachen Entwicklung von Internet-Applikationen - sowie die Release 11 der Oracle Applications zeigen.

An Datenbanken für Linux herrscht kein Mangel: Bei Inprise Interbase für Linux, bei Sybase den Adaptive Server Enterprise. Die Software AG präsentiert neben der Datenbank Adabas auch EntireX, eine Linux-Implementation des DCOM-Protokolls. Intersystems führt mit Caché eine postrelationale Datenbank vor, die den vertrauten Zugriff via SQL mit den Vorteilen einer objektorientierten Architektur verbindet. Mit db++ zeigt concept-asa eine relationale Datenbank, die sich durch besonders gute Einbindung ins Betriebssystem und Schnittstellen für eine Vielzahl von Programmier- und Skriptsprachen auszeichnen soll.

Und wem SAP eine Nummer zu groß ist, der wird bei Parity fündig. Die Pakete AB1000 (Warenwirtschaft) und FB1000 (Rechnungswesen) sind als Professional Edition und in drei Small Business Editions mit abgestuftem Leistungsumfang erhältlich. Auch ABAS präsentiert mit abas-EKS eine betriebswirtschaftliche Software für Linux.

Vernetzt

Auf das Intra- und Internet zielt Netscape: Vorab-Versionen des Directory Server und des Messaging Server waren schon auf der LinuxWorld zu sehen; und die Linux-Version der Web-Management-Software Delegated Administrator 4.0 ist bereits fertiggestellt.

Hewlett-Packard präsentierte auf der LinuxWorld OpenMail 6.0 für Linux, eine Mail- und Messaging-Lösung für heterogene Netze in großen Unternehmen. HP möchte auch die Netzverwaltungssoftware OpenView und weitere Anwendungen nach Linux portieren. Was davon auf der CeBIT zu sehen sein wird, war bis Redaktionsschluß allerdings nicht zu erfahren.

Eine neu gegründete Abteilung für Open-Source-Lösungen unterstreicht HPs Engagement in freie Software und soll sich auch um die Portierung von Linux auf HPs PA-RISC-Rechner kümmern. Nach denen sucht man zwar sicher noch vergebens; aber HPs NetServer LPr mit Intel-Prozessor ist auch unter Linux zu bewundern.

Computer Associates und Red Hat kooperieren, um die Linux-Portierung von CAs System- und Netzwerkmanagement-Software Unicenter TNG (inklusive dem Unicenter TNG Framework) zu verbreiten: Beide Unternehmen wollen jeweils 500 000 Kopien kostenlos vertreiben. Damit könnten Linux-Rechner demnächst eine zentrale Rolle in der Verwaltung heterogener Unternehmensnetze übernehmen.

Die Zusammenarbeit wird aber noch weitergehen: Durch gemeinsame Marketing-Aktivitäten möchte man die Popularität von Linux im Unternehmensbereich steigern, und auch die gemeinsame Entwicklung von fertigen Lösungen auf Linux-Basis steht auf dem Programm. Laut Marc Sokol, Vizepräsident von CA, zeigen die Kunden von Computer Associates in allen Marktsegmenten ein starkes Interesse an Linux.

Auch Corel setzt weiter auf Linux: Neben der kompletten WordPerfect Office Suite für Linux steht auch eine eigene Distribution auf dem Programm, die speziell auf den Desktop-Markt zielt. Als nächstes sollen die Tabellenkalkulation QuattroPro und das Präsentationsprogramm Corel Presentations für Linux erscheinen - auf gleichem Versionsstand wie Windows. Auf der CeBIT zeigt man allerdings nur WordPerfect 8 für Linux.

Große und kleine Eisen

Natürlich wird es reichlich neue Rechner unter Linux zu sehen geben. Siemens zeigt Flagge: Linux soll auf der ganzen (Intel-) Hardwarepalette laufen - vom Scovery, einem "multifunktionalen Terminal", das Linux aus dem ROM bootet, über Notebooks und die Workstations der Celsius-Reihe bis zu den Primergy-Mehrprozessor-Servern. Service und Support möchte man über Partner abwickeln - mit SuSE und Bytec arbeitet Siemens ja schon länger zusammen.

Am Siemens-Stand sollen verschiedene Datenbanken und SAP R/3 die Leistungsfähigkeit der eigenen Hardware als Grundlage einer betriebswirtschaftlichen Komplettlösung unter Beweis stellen; umgekehrt wird man auch bei einigen Anbietern von Linux-Software Primergy-Server sehen.

Den leistungsfähigsten Linux-Rechner dürfte man bei Compaq finden: Einen Proliant-Server mit acht Xeon-Prozessoren (siehe Seite 76). In 4 GByte RAM sollen gleichzeitig drei Datenbanken (DB2, Informix, Oracle) und SAP R/3 laufen. Kleinere Compaq-Server mit Linux stehen unter anderem bei SAP.

Compaq wird auch Systeme mit Alpha-Prozessor vorführen: Der Server DS20 und die Workstation XP1000 sollen die Leistungsfähigkeit der Alpha-Prozessoren unter Linux demonstrieren. Eine neue Mathematik-Bibliothek für das Alpha-Linux soll laut Compaq mathematische Berechnungen um den Faktor 10 beschleunigen. Einen Alpha-Cluster findet man bei Quant-X.

Auch Corel zeigt Hardware: Die Netwinder-Rechner sind mit einem StrongARM-Prozessor, vorinstalliertem Linux und umfangreicher Software ausgestattet; die Spannbreite reicht von der einfachen Workstation bis zum Server. Cobalt zeigt diverse Linux-basierte Internet-Server (darunter den neuen Qube 2), und bei Cyrix steht ein Internet-PC, den Red Zac ab April mit vorinstalliertem Linux (DLD) vertreiben wird.

Verteiler

Natürlich sind auch die großen Linux-Distributoren auf der CeBIT. SuSE präsentiert das neue SuSE-Linux 6.1 mit dem Kernel 2.2 und KDE 1.1, das jetzt auch in einer Version für Alpha-Prozessoren erhältlich ist - und will Beta-Versionen der neuen Distribution kostenlos verteilen. Außerdem wird man bei SuSE hardwarebeschleunigtes OpenGL auf Elsa-Karten sehen.

Ansonsten konzentrieren sich die Distributoren auf den USA-Pavillon. SuSE zeigt dort einen SALT-Cluster mit 10 Knoten. Ein solches System präsentiert sich nach außen wie ein Rechner; die einzelnen Knoten sind als 19-Zoll-Module gefertigt. Außerdem bietet SuSE Information zu den Support-Angeboten für Unternehmen.

Caldera wird das neue OpenLinux 2.2 zeigen - ursprünglich war die Versionsnummer 2.0 geplant, 2.2 spiegelt den Stand des verwendeten Linux-Kernels wider. Der vollständig grafische Lizard (Linux Install Wizard) installiert OpenLinux 2.2 automatisch von CD-ROM, aus dem Netz oder von Festplatte, partitioniert die Platte selbständig mit dem beiliegenden Partition Magic und soll die Hardware mit einer umfassenden Datenbank ähnlich treffsicher erkennen wie Windows. Caldera zielt vor allem auf den Unternehmenseinsatz: OpenLinux integriert sich problemlos in heterogene Netzwerke und kommt mit komfortablen Verwaltungswerkzeugen.

Die neue 6.0-Version von Red Hat wird man wohl noch nicht zu Gesicht bekommen, ebensowenig wie die bereits angekündigte DLD 6.01 von Delix mit Kernel 2.2, KDE 1.1 und verschiedenen Vereinfachungen für Linux-Einsteiger: Delix tritt lediglich als Red-Hat-Partner auf. Dafür kann man bei Red Hat die endlich fertiggestellte Version 1.0 von Gnome bewundern.

Ebenfalls am USA-Pavillon: Linux International, eine Organisation, die die Verbreitung von Linux fördern möchte, und das Linux-Magazin. Bei LinuxLand gibt es mit EasyLinux eine neue Distribution zu sehen, die sich durch besonders einfache Installation und Bedienung auszeichnen soll.(odi)

 
   
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